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Gastbeitrag: Selbst und ständig?

Minimalistenfreun.de - Themenwoche ArbeitEin Gastbeitrag von Miriam

Die im Titel angesprochene Floskel höre ich so oft im Zusammenhang mit Selbständigkeit. Genauso wie viele Grundsatzfragen, angefangen von „Und was machst du, wenn du arbeitslos wirst?“ bis hin zu „Muss man nicht unglaublich diszipliniert beim Thema Geld sein?“
Seit fast drei Jahren bin ich selbständig und ich habe den mutigen Schritt gewagt, mir komplett von null an etwas Neues aufzubauen.

Vor kurzem wurde ich gefragt, ob ich nicht Lust hätte, für diesen Blog etwas zum Thema Selbständigkeit zu schreiben und von meinen Erfahrungen zu erzählen. Dies tue ich sehr gerne! Vielleicht haben einige von euch schon mit dem Gedanken gespielt, etwas eigenes aufzuziehen und einem Festangestelltenverhältnis zu entfliehen oder ihr interessiert euch einfach für diese Thematik. Ich möchte an dieser Stelle die Chance nutzen und euch meinen Alltag als Selbständige näher bringen, aber auch gleichzeitig davon erzählen, wie hart es sein kann oder welche Fragen man sich persönlich stellen sollte, wenn man überlegt, als Existenzgründer durchzustarten.

Selbstständigkeit, Versicherung, Finanzen

Gleich vorneweg: Ja, ich bin freiwillig arbeitslosenversichert. Sollte ich also arbeitslos werden, passiert mir das gleiche, wie vielen anderen: ich bekomme Arbeitslosengeld. Und nochmal ja, ich bezahle regelmäßig in die Rentenversicherung ein. Ich bin auch ganz normal in der gesetzlichen Krankenkasse und würde jedem angehenden Unternehmer von einer privaten Krankenversicherung abraten. Ich lebe gemeinsam mit meinen zwei Miezen in einer WG, somit habe ich auch Einsparungen bei der Miete und Nebenkosten.

Ich kann von meiner Selbständigkeit leben. Manchmal wirklich sehr gut, manchmal weniger gut. Wer den Anspruch hat, zweimal im Jahr für längere Zeit in den Urlaub zu fliegen oder sich gerne und viel dem Konsum hingibt, der sollte sich die Sache mit der Selbständigkeit nochmal genauer überlegen, zumindest was die Anfangszeit betrifft. Seit ich mein Leben als Selbständige bestreite, habe ich nochmal einen ganz neuen Bezug zu diesen Themen entwickelt. Meiner Meinung nach braucht man ein sicheres Dach über den Kopf, Strom, sauberes Trinkwasser, eine Heizung und einen gefüllten Kühlschrank, neben einer Kranken- und Rentenversicherung und Absicherung gegen Arbeitslosigkeit. Und damit stehen wir schon besser da, als ein beachtlicher Teil der Welt. Achja, natürlich muss ebenfalls auch das Futter und Streu für meine Katzen gesichert sein und ich sollte nicht mit einem leeren Geldbeutel dastehen, wenn sie mal krank werden . ;)
Aber alles, was für mich darüber hinaus geht, ist für mich ein „Sahnehäubchen“. Viele Menschen konsumieren oft und gerne, was an sich nicht gleich etwas Schlechtes sein muss, es fällt mir nur mehr auf, seit ich der Festanstellung den Rücken gekehrt habe. Wenn ich davon erzähle, dass ich selbständig bin, bekomme ich häufig zu hören, dass man sich eine Selbständigkeit einfach schlichtweg wegen seinem eigenen Lebensstandard nicht vorstellen könnte, weil dieser für einen im Alltag sein muss. Und ich stimme zu, man sollte sich unbedingt der kritischen Frage stellen, ob man phasenweise besagten Lebensstandard herunterschrauben kann und dies auch möchte. Aber gleichzeitig sollte sich jeder im gleichen Zug überlegen, was Lebensstandard überhaupt für jeden einzelnen bedeutet. Ich habe in der Anfangszeit meiner Selbständigkeit nicht schlecht gelebt, aber Zusätze wie Urlaub, ausgiebig shoppen oder gewisse Luxusartikel musste ich erst einmal links liegen lassen und auch heute gibt es noch Zeiten, in denen ich aufpasse, wofür ich Geld ausgebe.

Anlaufzeit von zwei bis drei Jahren

Dazu kommt noch folgender Fakt, der unter Umständen wirklich unangenehm werden kann: ihr fangt meistens komplett von unten an, wenn ihr zum Gründer werdet. Kunden, euren Ruf, Geschäftsbeziehungen – das alles müsst ihr euch erst einmal aufbauen. Die Welt hat nicht auf euch gewartet im Normalfall und die Konkurrenz schläft nicht. Ihr seid Tag für Tag euer eigener Chef. Dies kann Fluch und Segen zugleich sein. Unwissenheit schützt vor Strafe nicht und das Finanzamt kann wirklich sehr unangenehm werden, solltet ihr einen Fehler begehen. Doch halt, so ganz stimmt die Sache mit dem eigenen Chef nicht: eure Kunden bezahlen euch, also sind sie auch irgendwo eure Chefs. Ich kann mir meine Kunden aussuchen, kann auch Aufträge ablehnen, doch bis ich zu diesem vorteilhaften Umstand gekommen bin, musste ich oft Leuten den Ball zuspielen, die ich menschlich betrachtet nicht mochte oder als sehr schwierig empfand. Geld ist Geld und wenn ein Kunde oder Interessent abspringt, tut das der eigenen Existenz weh. In einem Festangestelltenverhältnis bekommt ihr im Idealfall trotzdem monatlich euer Gehalt überwiesen. Das, wovon so viele träumen, wenn sie von Selbständigkeit sprechen, muss man sich erst hart erarbeiten. Und nicht selten viel einstecken können an Rückschlägen und bereit sein, sich stetig zu verbessern oder weiterzuentwickeln. Das ist meiner Meinung nach ein sehr bedeutsamer  Knackpunkt. Es ist wichtig, stetig in Bewegung zu bleiben und bereit zu sein, über sich hinauszuwachsen, auch wenn es unangenehm ist.

Es heißt oft, dass man mindestens zwei oder drei Jahre braucht, bis eine Selbständigkeit einigermaßen solide anläuft. Das kann ich bestätigen! Geduld ist also eine Grundvoraussetzung, neben einen guten Haufen Ersparnissen, einem Nebenjob oder jemanden, der einen finanziell absichert, solange alles anläuft. Natürlich kenne ich auch die Erfolgsgeschichten, in denen ein Selbständiger schon nach einigen Monaten mehrere Kunden hatte und ganz gut von seiner Tätigkeit leben konnte, doch das ist nicht die Regel. Es ist meiner Erfahrung nach nicht der Normalfall und man sollte nicht auf diesen Erfolgsgeschichten bauen.

Vor- und Nachteile einer Selbstständigkeit

Jetzt fragen sich einige von euch bestimmt, warum ich mir diesen Wahnsinn antue. Die einfache Antwort lautet: ich liebe meine Arbeit und ich bin der Typ Mensch für eine Selbständigkeit. Auch das muss man einfach sagen, nicht jeder ist dafür gemacht. Bei meinen früheren Festangestelltenverhältnissen hat mich immer sehr gestört, dass ich mich mit meinen Ideen und Vorstellungen nicht so einbringen konnte, wie ich das gerne getan hätte. Außerdem liegen mir Hierarchien nicht. Versteht mich nicht falsch, ich habe kein Problem mit Autoritäten, doch wenn meine Ideen erst einmal durch mehrere Instanzen wandern müssen, ist dies langfristig betrachtet einfach frustrierend. Außerdem kann ich mein Einkommen mit der Zeit selbst nach oben schrauben, bei einem Festangestelltenverhältnis ist dies schon schwieriger und nicht selten sind mehrere Gespräche mit der Chefetage nötig, bis man eine Gehaltserhöhung bekommt. Wenn ich gut in meinem Job bin, kann ich mittlerweile die ganzen Lorbeeren für mich einheimsen. Früher war dies für mich bei Festangestelltenverhältnissen nicht so einfach.

Natürlich ist es nicht besonders toll, wenn ich krank werde. Das ist eines der wenigen Dinge, die ich wirklich sehr vermisse: mich krankschreiben lassen zu können und dafür trotzdem bezahlt zu werden. Aber um ehrlich zu sein, war ich nie länger krank. Auch das sichere Einkommen, das Monat für Monat bei einer Festanstellung auf dem Konto eintrudelt, ist ein riesen Vorteil, das ist nicht wegzudiskutieren. Genauso steigt mein Stresspegel, wenn mir Kunden abspringen, Projekte sich verzögern oder ich mal wieder in einem Monat nicht das verdient habe, was ich gerne verdient hätte. Doch dagegen steht, dass ich meine Arbeit und die Selbständigkeit eben liebe. Die Freiheit, die damit einhergeht und trotz meiner Kunden, die mich bezahlen, dennoch meine eigene Chefin zu sein. Ich arbeite phasenweise wesentlich mehr als andere, dabei bin ich allerdings einfach nur zufrieden. Ich hätte nie gedacht, dass ich dies einmal von mir sagen könnte, aber ich gehe in meiner Arbeit jetzt voll und ganz auf und sie macht mir Freude, auch wenn es oft schwer ist. Ich habe in der Vergangenheit viele Tränen vergossen und nicht wenige Rückschläge einstecken müssen. Es gab sogar eine Zeit, da wollte ich alles hinschmeißen. Heute bin ich unglaublich froh, es nicht getan zu haben. Damals sah das anders aus.

Money, Money, Money..?

Aber wenn wir schon beim Thema sind: wie machen das viele Selbständige mit dem Thema Geld? Ich  müsste lügen, wenn ich behaupten würde, dass dies kein schwieriges und mitunter belastendes Thema ist. Die goldene Regel lautet für mich, nicht nur von Monat zu Monat zu denken, sondern gleich mehrere davon miteinzuschließen. Gerade weil man als Selbständiger nicht immer jeden Monat sein Einkommen kennt, bzw. dies manchmal alles nicht so in trockenen Tüchern ist, sollte man langfristiger planen und wissen, welche Kosten abgedeckt werden MÜSSEN, komme was wolle. Und diese Kosten sind gar nicht so wenig, wenn man bedenkt, dass Selbständige ihre Versicherungen alle selbst bezahlen, außer sie sind in der Künstlersozialkasse. Daneben muss noch die Miete entrichtet werden und dann ist der Kühlschrank auch noch nicht gefüllt worden. Dies alles gilt es zu beachten. Es ist also unabdingbar für mich, immer mindestens ein „Monatsgehalt“ in der Hinterhand zu haben für schlechter laufende Geschäfte (besser sind zwei oder drei) und immer dann Geld zurückzulegen, wenn dies machbar ist. Dabei müssen auch Kosten beachtet werden, wie die für eventuelle andere Versicherungen, den Jahresabschluss, die Bezahlung für den Steuerberater und wenn die Einkommen- und Kirchensteuer sowie der Soli anstehen. Am besten bewährt es sich also, immer für diese Kostenfaktoren unter dem Jahr Geld zurückzuhalten und es nicht einfach nur zu verprassen. So wie ich halten es viele Selbständige. Ich musste trotz dieses Wissens erst lernen, langfristiger zu denken und nicht so wie früher als Festangestellte überwiegend von Monat zu Monat zu leben und das war manchmal wirklich hart! Gerade dann, wenn ich gemerkt habe, dass ich mich finanziell verschätzt habe. Selbständige müssen besonders in den ersten Jahren nicht selten etwas zurückstecken, was Geld angeht. Auch das ist etwas, das man Können und Wollen muss und eine weitere Frage, die sich jeder stellen sollte.

Wenn aber diese finanziellen Rücklagen und Absicherungen gewährleistet sind (Was mit Disziplin und unternehmerischen Denken gar nicht so schwer ist, wenn man sich erst einmal daran gewöhnt hat), dann gebe ich gerne Geld aus und gönne mir auch bewusst etwas. Wichtig ist bei der ganzen Angelegenheit einfach, dass Selbständige ihre Stundensätze richtig kalkulieren, was tatsächlich nicht immer getan wird. In einem Stundensatz steckt alles drin, was man zum Leben braucht, ebenso Rücklagen, Versicherungen und im Idealfall ein Gewinn. Mir begegnen oft Unternehmer, die ihre Kosten nicht richtig kennen oder ihre Stundensätze sehr knapp bemessen und eher nach dem Motto handeln „Lieber ein Auftrag, als gar kein Auftrag“. Ich weiß, dass es ein schwieriges Thema ist und man sich manchmal erst einmal hocharbeiten muss, aber für mich ist es unabdingbar, sich nicht unter dem Wert zu verkaufen. Kundenkreise sind manchmal wie ein Dorf und hat sich erst einmal herumgesprochen, dass du ein Billiganbieter bist, hast du ein Problem. Gleichzeitig geht es für mich hierbei aber schlichtweg ebenfalls um Selbstwertschätzung. Meine Arbeit ist mehr Wert als ein Stundensatz am Existenzminimum. Ich bin immer für meine Kunden da und bringe mich völlig ein – wer dies für eine zu niedrige Bezahlung haben möchte, kann gerne weiterziehen und ist einfach nicht der richtige Kunde für mich. Es bringt mich nicht weiter, wenn ich eine Bezahlung bekomme, die nicht einmal mein Überleben gewährleistet. Und so sollte es auch nicht sein, wenn man schon mit anderen Herausforderungen als Selbständiger zu kämpfen hat.

Eigentlich gäbe es noch viel mehr zu erzählen, doch dieser trotzdem länger gewordene Beitrag soll dazu dienen, euch einfach einen ersten Einblick zu gewähren. Abschließend möchte ich gerne sagen, dass es kein allgemeines Richtig oder Falsch für eine Selbständigkeit oder eine Festanstellung gibt. Beides kann gut oder schlecht sein und ist auch sehr vom Einzelfall abhängig. Und vor allem muss das System, das man für sich wählt, zu einem passen. Für manche ist der Weg in die Selbständigkeit eine großartige Entscheidung, für manche ist eine Festanstellung das Beste. Vor- und Nachteile haben beide.

Habt ihr bereits mit dem Gedanken gespielt, den Schritt in die Selbständigkeit zu wagen? Oder seid ihr vielleicht auch selbständig? Ich würde mich sehr für eure Gedanken und Meinungen interessieren. Vielleicht haben einige von euch aber auch noch weitere Fragen, die euch interessieren. Dann schreibt es doch in die Kommentare, ich bin schon sehr gespannt!

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2 Kommentare

  1. Hallo Miriam,

    ein sehr schöner Artikel, der es auf den Punkt bringt. Genauso geht/ging es mir auch.

    Ich bin nun seit 3,5 Jahren meine eigene Chefin und kennen die ups and downs, und genauso wollte ich auch schon mal komplett hinschmeißen – glücklicherweise habe ich es nicht getan.

    Am Anfang habe ich die Selbständigkeit noch mit abhängiger Beschäftigung kombiniert und diese dann so nach und nach verringert.

    Das mit der Arbeitslosenversicherung habe ich leider verpennt, denn diese muss ja in den ersten 3 Monaten nach Aufnahme der selbständigen Tätigkeit beantragt werden…ich denke das hätte mir eine riesige Erleichterung gebracht.

    Für den Gesamtüberblick über die Kosten habe ich eine Exceltabelle, die fortlaufend über 3 Jahre einen Überblick gibt, incl. Steuerzahlungen – ganz nach dem Motto: “ Nichts ist sicher, ausser dem Tod und der Steuer“ ;) Damit ich auch in guten Monaten nicht vergesse, dass vielleicht ein paar Monate später eine große Rechnung auf mich wartet.

    Womit ich Schwierigkeiten habe ist die Berechnung des eigenen Gehaltes, denn die Miete, Krankenkasse, Rentenzahlungen, Lebensmittel und ggf. Rücklagen, z.B. für eine defekte Waschmaschine haben ja einen bestimmten Mindestanspruch. Erst jetzt, kann ich den (meistens) decken und auch mal eine kleine Summe zur Seite legen, um mir das Sparpolster von einem bis zwei „Monatsgehältern“ anzusparen, z.B. wenn ich mal krank werde. In den letzen Jahren ging das leider nicht und für diesen „Anfangskredit“ muss ich auch noch lange zurückzahlen. Ich denke, in dem Sinne wäre es für Leute, die sich neu selbständig machen nicht schlecht, schon vorher ein Polster zu haben um die Lebenserhaltungskosten zu decken oder eben einen Nebenjob.
    Ich hatte das leider nicht.

    Aber trotz aller Belastungen, bereue ich es nicht, den Schritt gewagt zu haben, die Freiheit ist unbezahlbar und gleicht auch den Verzicht auf, schon länger keinen Urlaub mehr gemacht zu haben.

    Antworten

  2. Liebe Christina,

    herzlichen Dank für dein Feedback. Es freut mich sehr, dass dir mein Beitrag zugesagt hat und es auch deine Erfahrungen als Selbständige widerspiegelt. Ich finde es immer wieder sehr erleichternd, wenn andere Selbständige mir sagen, dass sie ihre Arbeit lieben und auch die Selbständigkeit, aber es auch Zeiten gab, in denen sie alles schon einmal hinschmeißen wollten. Wie du ganz passend aufgezeigt hast: ja, die Berechnung des „Gehaltes“ kann mitunter sehr schwierig sein und man muss viele Faktoren beachten. Da sollte man sich wirklich Zeit nehmen und nichts über das Knie brechen. Und auch Fälle bedenken wie die von dir genannte Waschmaschine – bei mir kommen z. B. auch noch zwei Miezen dazu, die krank werden können. Geht es dir auch manchmal so, dass du in Stundensätzen denkst? Ich merke oft: dafür muss ich jetzt X Stunden arbeiten. Seit der Selbständigkeit hat sich meine Beziehung zum Thema Geld und wie ich dieses ausgebe stark verändert.

    Was das finanzielle Polster angeht, da kann ich dir voll und ganz zustimmen. Ich habe immer wieder erlebt, dass dieser Faktor von manchen sehr unterschätzt wird. Oder viele nicht mit einkalkulieren, dass man sich den fixen Kundenstamm oder überhaupt Kunden erst einmal erarbeiten muss und diese nicht von Anfang an vorhanden sind.

    Ich finde es toll, dass du so ehrlich deine eigenen Erfahrungen mitgeteilt hast! Ich wünsche dir alles Gute, Motivation und viele treue Kunden!

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