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Wertschöpfen statt Abschöpfen – ein Vortrag von Sina Trinkwalder

Neulich machte ich mich einmal mehr mäßig motiviert auf den Weg in die Hochschule, obwohl an diesem Tag sogar mein derzeitiges Lieblingsfach – Existenzgründung – auf dem Plan stand, aber vorgesehen war ein vermutlich schnarchlangweiliger Vortrag von „jemandem aus der Praxis“, mit dem ich als Nicht-Wirtschaftler vermutlich wenig anfangen können würde. Einige Minuten lang hatte ich mit mir gerungen, ob es sich überhaupt lohnen würde, das Bett zu verlassen…
Glücklicherweise hab ichs getan, denn an diesem Tag hatte ich wirklich ein tolles „Aha“-Erlebnis, welches mich nachhaltig beeindruckte und unglaublich motivierte. Die Vortragende war nämlich Sina Trinkwalder. Der Name sagt euch nichts? Sollte er aber, denn Sina ist eine der polarisierendsten und für mich interessantesten Unternehmerinnen der heutigen Zeit. Das finde nicht nur ich, sondern unter anderem auch der Staat, der ihr unlängst das Bundesverdientskreuz verlieh.

Sina stammt aus der Werbung und nachdem sie mit ihrem Mann gemeinsam einige Jahre eine Werbeagentur geführt hatte – also quasi auf der „bösen“, verleitenden Seite des Konsums stand, entschied sie nach einem einschneidenden „Aha“-Erlebnis, dass das nicht alles sein konnte und vor allem nicht die Art und Weise, wie sie gerne wirtschaften wollte.

„Werbung ist oft völlig sinnfrei, weil sie überfressenen Menschen Appetit machen soll.“

Sie wollte stattdessen gerne Menschen, die durchs soziale Raster fielen und von Arbeitsagenturen als „Menschen mit multiplen Vermittlungshemmnissen“ bezeichnet werden, eine wirkliche Chance bieten und nachhaltige Arbeitsplätze schaffen, und entschied sich, da Augsburg früher (also… ab der Renaissance und bevor dann alles nach außerhalb Europas verlegt wurde) eine altehrwürdige Textilmetropole war, an diese Tradition wieder anzuknüpfen – komplett fair, komplett nachhaltig, komplett regional. Keine einfache Aufgabe! Doch sie hat es geschafft – die in ihrer Firma manomama beschäftigten Arbeiter stammen alle aus für den Arbeitsmarkt eher schwierigen Verhältnissen – sie gibt Langzeitarbeitslosen, Alleinerziehenden, Menschen mit Behinderung und vielen mehr eine Chance. Ihre Produktionsmaterialen stammen vom Faden bis zum Stoff komplett aus Deutschland.

All das schilderte sie uns in einem Vortrag, der wirklich anregend war und mitriss. Gut, ich hab nicht viele Vergleichswerte, aber wenn mehr Menschen so denken würden, wäre die Unternehmenskultur hierzulande eine ganz, ganz andere. Ihr merkt schon, ich bin begeistert! Toll auch, dass der regionale Bezug da ist – Fertigung und der erste „Flagship-Store“ (ein Anwesender, BWL-Student, klar, bezeichnete den von Sina nur „der Laden“ genannten Store so und brachte sie damit herzlich zum Lachen) befinden sich in Augsburg und zweiterem hab ich auch schon einen Besuch abgestattet. Die Sachen dort find ich ganz okay, Basic-Shirts werde ich dort kaufen, wenn ich neue brauche, Jeans und Pullover etc. entsprechen nicht so ganz meinem Geschmack bzw. auch dem Geldbeutel, auch wenn uns anhand eines T-Shirts erklärt wurde, das die Gewinnmarge wirklich gering ist (und wie gesagt, Shirts für 20 € sind auch absolut super für biofair!) . Aber das Geschäftsmodell finde ich wirklich toll und einfach unterstützenswert.

Screenshots aus dem Onlineshop – das ganz links ist Sina

Das wohl bekannteste und verbreitetste Produkt von manomama ist der bunte Stoffbeutel, den ihr bei dm kaufen könnt (wobei es um den auch einige Aufregung gab – pfui, dm!)
Ich wollte noch mehr erfahren und hab mir Sinas Buch „Wunder muss man selber machen“ gekauft (ganz euphorisch vom Vortrag, wollte ich den regioalen Buchhandel unterstützen und halt mal nicht online bestellten – tja, denkste. „Ja, des ham wa nich da, aber ich kanns bestellen, dann ham Sie’s in drei Wochen“ – ja ne, sorry…).
Dort schildert sie nochmal ganz ausführlich, was sie uns auch persönlich erzählt hatte, und ich kann es wirklich empfehlen! Am 1. April erscheint ihr zweites Buch „FAIRarscht – wie Wirtschaft und Handel den Kunden für dumm verkaufen“ – es wird um die (Un-)Durchsichtigkeit und die Schlupflöcher angeblich fairer Produktion, Gütesiegel etc. gehen, und steht schon auf meinem Wunschzettel, da mich das Thema generell sehr reizt.

Sehr spannend fand ich auch die Fotos im Buch – hier ein Blick in die Produktionshalle.

„Ich lege besonders viel Wert auf Ideen, die die Welt ein bisschen besser machen. Für mich ist ein Geschäftskonzept, das auf Raubbau der Menschheit und der Umwelt basiert, nicht zukunftsfähig. Es muss gesellschaftlich relevant sein. Und ich lege Wert darauf, dass die potenziellen Gründer zu 1000 Prozent hinter ihrem Konzept stehen. 100 Prozent reichen nicht. Die Idee muss sich nicht realistisch anhören. Mein Projekt war vor sechs Jahren auch alles andere als realistisch. Ich weiß aber, dass alles möglich ist, wenn man hart für den Erfolg arbeitet. Von dem her geht es mir darum, ob der Glaube an die eigene Idee so unerschütterlich ist, dass jemand so hart arbeiten kann, bis er erfolgreich ist.“
Quelle

5 Kommentare

  1. „Werbung ist oft völlig sinnfrei, weil sie überfressenen Menschen Appetit machen soll.“

    Das finde ich genial. Ist das ein Zitat von Frau Trinkwalder?

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  2. Na Mensch, cooler Beitrag! Allerdings war ich entsetzt von einem Minimalisten zu lesen, dass er nich mal 3 Wochen auf ein Buch warten kann. Schade, oder?

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    • Oh, passe ich nicht in deine Minimalisten-Stereotypen-Schublade? Dafür entschuldige ich mich natürlich und erkläre hiermit ganz offiziell, dass ich ein sehr ungeduldiger Mensch bin :)

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  3. Hallo Kati,
    danke für den interessanten Beitrag! Solche Menschen wie Sina Trinkwalder braucht die Welt, wir brauchen überhaupt neue Anstöße, eine nachhaltige Form des Wirtschaftens. Nennt man das Post-Wachstum-Ökonomie?
    Viele liebe Grüße,
    Diana

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