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Fast Fashion – was heißt das eigentlich?

H&M, Zara, Primark… jeder hat von diesen Marken irgendwas im Schrank hängen. Sind ja immer so schön im Trend, überall verfügbar und meistens wahnsinnig günstig zu haben. Aber wie funktioniert das überhaupt, topmoderne Mode zu so günstigen Preisen anbieten zu können?

Die obengenannten Marken sind so genannte Fast Fashion Vertikalisten.

Fast Fashion, weil sie im Fall von H&M 12 und bei Zara satte 24 Kollektionen im Jahr anbieten, d.h. alle 2 Wochen ein komplett neues Sortiment. Früher gab es eine Sommer-, Winter- und manchmal eine Übergangskollektion in den Modegeschäften, heute erwartet der Kunde ständig neue Angebote und gibt sich nicht mehr damit zufrieden, 3 Monate lang die selben Klamotten in den Läden hängen zu sehen.

Ein Vertikalist ist ein Unternehmen, das gleichzeitig als Einzelhändler und Produzent auftritt. Das „vertikal“ bezieht sich auf die gesamte Wertschöpfungskette, bei der das Unternehmen an jedem Schritt beteiligt ist. Design, Produktion und Vertrieb laufen in Eigenregie, was bei ausreichender Größe des Unternehmens zu Mengeneffekten und entsprechend Preisvorteilen führt. Möchte ein kleines Unternehmen z.B. 1.000 Tshirts produzieren, kostet das wesentlich mehr im Vergleich zu großen Aufträgen, bei denen z.B. 1.000.000 T-Shirts auf einmal hergestellt werden, da zum einen die Fixkosten für Logistik und Verwaltung und zum anderen die Nachfragemacht bei Lieferanten für niedrige Kosten sorgen. Diese Preisvorteile werden zum Teil an den Kunden weitergereicht.

Was bedeutet das konkret? In der FAZ liegt auf einem Preiseindex von 100 H&M bei 84, C&A bei 70 und Primark bei niedrigen 40. Der geringe Wert bei Primark kann zum Teil darauf zurückgeführt werden, dass das Unternehmen komplett auf Werbung verzichtet – das übernehmen die Endkunden selbst in Blogbeiträgen oder Haul-Videos auf Youtube.

Der enorme Erfolg der Vertikalisten begründet sich in erster Linie auf einem veränderten Konsumenverhalten: freundlich formuliert kann man von einer Demokratisierung der Mode sprechen, also moderne Kleidungsstücke auch für den allerkleinsten Geldbeutel. Unfreundlich formuliert regiert die „Geiz ist geil“ Mentalität, denn wo man vor 10-15 Jahren noch die Nase über Billigst-Angebote gerümpft hat, sind diese neue salonfähig geworden. Laut FAZ konsumiert eine Britin durchschnittlich 28kg Bekleidung im Jahr, also ca. ihr halbes Körpergewicht. Geht das bei „anständigen“ Preisen überhaupt? Kleidung muss nicht mehr aufgetragen werden, sondern wird laufend ersetzt. Bei Dumpingpreisen von 2,50€ pro Shirt kein Wunder.

10ct Lohn für ein 2,50€ Shirt

Natürlich stellt sich die Frage: Wer war zuerst da, Henne oder Ei? Die fragwürdigen Produktionsbedingungen der Ware halten die Endkunden nicht vom Konsum ab. Ist uns hier ein Stück Moral flöten gegangen oder hätte diese neue, ständige Verfügbarkeit der superbilligen Angebote schon immer die Konsumenten verführt?

Fakt ist, dass sich Modekäufer heute nicht mehr damit zufrieden geben wollen, lange die gleichen Kleidungsstücke zu tragen. Billig-Mode ist nicht nur chic und trendy, sondern heutzutage auch sozial akzeptiert. Wie sonst erklärt sich die Tatsache, dass Aldi seit Jahren immer in der Liste der 10 größten Textilanbieter in Deutschland auftaucht? Die Kundenbedürfnisse heute richten sich in allererster Linie nach dem Preis und dem Wunsch nach Abwechslung, Ansprüche an Qualität werden bei Niedrigstpreisen vernachlässigt. Ursachenforschung ist hier schwierig: Vielleicht liegt es an dem immer geringeren Anteil an einzelhandelsrelevanter Kaufkraft, also der Anteil am Einkommen, der nach Abzug von Fixkosten wie Miete und Heizung, Versicherungen, Auto etc. für den direkten Konsum übrig bleibt und der seit Jahren in Deutschland rückläufig ist?

Vielleicht liegt es an der ständigen Verfügbarkeit von neuen Informationen? Früher hat man vielleicht 1-2x im Monat eine Modezeitschrift gelesen, heute machen die aktuellsten Trends täglich im Internet Lust auf immer mehr.

Die Schattenseiten der Vormacht der Vertikalisten sind nicht nur die katastrophalen Produktionsbedingungen, die wie kürzlich im Fall der eingestürzten Fabrik in Bangladesh zu 1127 Todesopfern geführt haben. Auch Ausbeutung, Kinderarbeit und Umweltverschmutzung werden billigend in Kauf genommen für die extrem günstige Mode.

Der deutsche Textilmarkt leidet ebenfalls: Kleine Anbieter können sich gegen die Übermacht des Mode-Oligopols nicht halten und müssen schließen, was in der immer kleineren Anzahl an Einzelhandelsunternehmen im Modebereich abzulesen ist. Dem Verbraucher wird eine Vielfalt der Anbieter vorgegaukelt, die real nicht existiert: Cos, H&M, Weekday, Monki, &other Stories? Alles H&M. Zara, Massimo Dutti, Bershka, Pull&Bear, Oysho, Stradivarius? Gehören alle der Inditexgruppe an.

Wie soll das zukünftig weitergehen? Nach wie vor ist der Textilmarkt in Deutschland hart umkämpft. Konsumenten haben eine extrem niedrige Ausgabebereitschaft, und „neu“ ist immer noch besser als „gut“. Ein Umdenken in der breiten Gesellschaft hat noch nicht stattgefunden. Es gibt zwar Kampagnen für saubere Kleidung, aber leider ist faire, ökologische Mode immer noch ein Randphänomen, über das wir hier bald berichten wollen.

Wie sieht das bei Euch aus? „Besser“ und „Weniger“ statt „Aktueller“? Was ist überhaupt dieses „Besser“? Wie konsumiert Ihr Mode?

 

4 Kommentare

  1. Wow, was für ein unglaublich toller Beitrag!!
    Ich versuche schon länger relativ konsequent nur noch gebrauchte Kleidung(außer Unterwäsche und „Ausnahmen“)zu kaufen. Ich lasse mich nur noch selten zu Neuem hinreißen oder ich kauf mir eben mal was Neues wenn ich es wirklich(!) brauche…
    Ich denke hier in Berlin bin ich, was Flohmärkte angeht, echt verwöhnt. So fällt das Umsetzen relativ leicht…Ich weiß nicht wie ich es handhaben würde, würde ich wo anders leben wo ich die Möglichkeiten nicht direkt vor der Nase hätte…Vermutlich würd ich dann einfach mehr kreiseln ;o)
    Zum Glück gefällt mir aber bei den genannten Verdächtigen nur noch sehr wenig. Was zum großen Teil auch mit der Qualität zusammen hängt, aber definitiv auch mit dem Wissen über die Herstellungsbedingungen…So macht „sich was Neues gönnen“ einfach keinen Spaß mehr! Erstens brauch ich ja nicht wirklich was und zweitens will/kann ich mir nur noch schwer was Neues „gönnen“ wenn ich weiß dass es auf Kosten von anderen ist!

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    • Ja das ist es eben… führt man sich mal vor Augen, dass andere diese günstigen Preise mit ihrer Gesundheit etc mitfinanzieren, relativiert sich die Konsumfreude. Früher habe ich auch recht gedankenlos bei den einschlägigen Geschäften geshoppt, heute überlege ich schon recht lang, ob mir ein Kleidungsstück den gesamten (!) Preis wert ist. Dazu kommt ja oft die echt unterirdische Qualität (mit Ausnahmen)… von daher bin ich wirklich sehr gespannt auf die geplanten Artikel zu fairer Mode ;)

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  2. Das mit dem „gesamten Preis“ trifft es sehr gut!!
    Ich bin auch schon auf die folgenden Beiträge gespannt… ;o)

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