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Das minimalistische Beziehungs-Einmaleins. Die erste Geschichte.

Die Sache mit den Sachen. Die erste Geschichte.

Gastbeitrag von Sari.

Als mein Freund und ich zusammen gezogen sind, hat er von einer 1-Zimmer-Junggesellenbude expandiert und ich von einer 2-Zimmer-Wohnung, auf 75 m² und 3 Zimmer, plus Balkon, Keller und zwei Außenstellplätzen. Das war 2008. Die Welt drehte sich weiter, er bekam eine Stelle in einer anderen Stadt, mein Studium neigte sich dem Ende entgegen und wir beschlossen, dass es an der Zeit war, meine – zugegeben etwas – langweilige Studienstadt zu verlassen. 2012 siedelten wir auf stolze 101 m² inklusive Balkon, größerem (!) Keller, 2 (!!) Garagen und ein Badezimmer MIT Fenster um. Um dieses Drama minimalistisch kurz zu halten: Wir benötigten trotz der ca 20 fleißigen Helfer 12 Stunden, bis wir unser Hab und Gut von Wohnung 1 in Wohnung 2 verfrachtet hatten.

Ich kann versichern: Es war weitaus schlimmer, als es klingt. Am Ende des Tages hatte jeder schlechte Laune, in jedem Raum standen Kisten, halb aufgebaute Möbel und wir haben nichts wieder gefunden. Einzig meine Katzen hatten Spaß, während sie zwischen dem Labyrinth aus Konsumgütern Fangen spielten.

Es ist unfassbar, was man in einem Leben so alles ansammeln kann. Wenn man dann zwei Leben zusammenführt, wird das in der Regel noch schlimmer.

In dieser Serie möchte ich ein wenig davon erzählen, wie es denn so ist, wenn man auf einmal sein Leben und seinen Wohnraum mit einem anderen Menschen teilt, die Ansichten vielleicht aber nicht immer.

Ich. Sari, die immer noch mit 2 Katzen und ihrem Freund in Bayern lebt und deren Keller immer noch Rümpelmonster beherbergt. Mein Freund und ich sind uns in vielerlei Hinsicht ähnlich. Aber auch nicht. Wir sind beide leidenschaftliche Sammler. Wir sammeln Comics, Videospiele, Konsolen. Er sammelt Magic-Karten und kleine Raumschiffe, mit denen er X-Wing spielt (Wer nun ein Fragezeichen über dem Kopf hat, der möge bitte googlen. Nur soviel: Das ist ein Gesellschaftsspiel.), ich sammele Kochbücher und etwas, das man grob als „Art supplies“ zusammenfassen kann und für Wolle, Häkelnadeln, Stifte, Papier und allen möglichen anderen Kreativkram steht. Küchengeräte, Klamotten und Haushaltskram sammelt keiner von uns. Diese Dinge tauchen einfach von Zeit zu Zeit in der Wohnung auf und weigern sich dann, diese wieder zu verlassen.

Jetzt sollte man ja eigentlich meinen, dass nach dem Umzug in die große Wohnung, wir hier direkt ein Echo haben müssten, weil sie so leer ist im Vergleich zu der kleineren Wohnung davor. Aber nein. Wirklich nein.

Zwar sind die Räume nun größer als vorher und die Möbel stehen weiter auseinander, sodass man nicht mehr gegen die Kommode im Arbeitszimmer rennt und die Katzen die ersten Wochen beim Fangen spielen regelmäßig wegen des Laminats in die Wand geschlittert sind, als sie die Kurve nicht bekamen, aber mehr Stauraum haben wir nicht. Also, eigentlich schon… aber irgendwie haben wir auch mehr Zeug.

Das ist das Komische an Zeug. Es scheint sich grundsätzlich proportional zum entstanden Platz zu vermehren.

Irgendwann, so ungefähr zu der Zeit, zu der ich zu den Minimalistinnen im Kleiderkreisel-Forum stieß, beschloss ich dann mal, der Lage Herrin zu werden. Mein Freund fand das super. Der war nämlich auch der Meinung, dass wir zu viel Zeug haben. Halt! Eigentlich stellte sich ziemlich schnell heraus, dass er der Meinung war, dass ICH zu viel Zeug habe. Und zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich, wenn ich es mal überschlage, so ganz grob, doch weitaus mehr Dinge besitze als er. Aber es stellte sich auch heraus, dass ich weitaus wegwerf-williger bin als er. Er fand es ausgesprochen sinnvoll, dass ich radikal meine Kleidung aussortierte, alle Bücher und Comics der Wohnung verwies, die ich sicher nicht (noch einmal) lesen würde, den Küchenplunder ausmistete und auch sonst jede Ecke nach überflüssigen, nicht mehr gebrauchten Dingen durchforstete.

Als ich jedoch über SEINE Sachen stolperte, zeigte sich mal wieder, dass wir manchmal doch nicht so sehr einer Meinung sind.

Dass er seine CD-Sammlung behalten wollte, auch wenn er davon ca 80% seit Jahren nicht mehr angehört hat und sie regelmäßig erweitert, das sah ich ja auch noch ein (dafür darf er nun nicht mehr an meiner DVD-Sammlung herummeckern), aber ich verstand nicht so ganz, wieso man Kabel, deren Nutzen man nur noch erahnen konnte, kaputte Action-Figuren, eine Maultrommel, einen singenden Stoffhund (sein Freunde schenken ihm gerne mal dummes Zeug), eine zweite Maultrommel (seine Freunde schenken ihm gerne…) oder ungefähr 20 total kaputte Arbeitshosen brauchte.

Das konnte er mir jedoch immer genau erklären: „Vielleicht braucht man es ja mal und wenn wir es nun wegwerfen, dann ärgern wir uns.“ Da diskutieren in der Hinsicht wenig Sinn hatte, habe ich einfach Folgendes gemacht: Ich habe alle seine Sachen aus der Wohnung in eine Tasche gepackt und auf seinen Stammplatz im Arbeitszimmer gestellt. Als er verwundert darauf zeigte, teilte ich ihm mit, dass er die Dinge bitte ORDENTLICH wegsortieren sollte, sodass sie nicht im Weg sind, ansonsten käme die Tüte in den Keller.

Die Tüte kam in den Keller.

Als wir dann, nachdem wir uns den Kellermonstern mal wieder todesmutig entgegen gestellt hatten, zum Wertstoffhof fuhren, hielt ich ihm die Tüte wortlos hin. Mittlerweile fristete sie bereits seit einigen Monaten ihr trostloses Dasein in Gesellschaft der Monster. Wir benötigten in dieser Zeit weder mysteriöse Kabel, noch eine kaputte Action-Figur, noch eine der 20 Arbeitshosen. Er brauchte daheim in dieser Zeit ein mal eine und die hat er sich aus dem Schrank genommen, wo die Arbeitshosen lagen, die er auf der Arbeit trägt.

Wortlos nahm er die Tüte und begann ihren Inhalt auf die verschiedenen Container zu verteilen.

Heute ist unsere Wohnung ein bisschen leerer. Viele Dinge müssen sich einer genauen Kontrolle unterziehen, ehe sie hier einziehen dürfen. Oft müssen Sachen auch wieder ausziehen und manchmal… ja, manchmal steht wieder die Tüte auf dem Stammplatz meines Freundes.

2 Kommentare

  1. Ja, das stimmt wirklich. Wenn man nicht aufpasst, sind Sachen proportional zum Platz. Besonders nach Weihnachten wieder.

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