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Mentales Gerümpel: Eine Zwischenbilanz

Gleich zu Anfang mal wieder eine Beichte: Dieser Post schafft es schon seit Wochen nicht von meiner To Do-Liste. Seit ich das letzte Mal über mein mentales Gerümpel berichtet habe, grübele ich darüber nach, wie ich am besten über die schwierigeren Projekte schreibe, die ich noch angehen will. Wie ich also das mentale Gerümpel beseitige, das von mir verlangt, mich mit mir selbst und meinem Bild von mir und meiner Zukunft auseinanderzusetzen.


Die lange Zeit, die seit meinem letzten Beitrag vergangen ist, deutet die Antwort schon an: Ich gehe diese Art von Gerümpel (fast) gar nicht an, zumindest nicht im Moment.

Dabei ist meine Bilanz seit dem letzten Post gar nicht so schlecht, wie ich finde:

Von meiner Liste von Dingen, die ich noch erledigen will, konnte ich einiges schon streichen (z. B. meine Regale und Ordner nochmal ausmisten, die Abstellkammer umräumen, viel loses Papier sortieren und einheften und aussortierte Klamotten und Taschen loswerden), anderes ist für die nähere Zukunft geplant oder wird zumindest regelmäßig wieder auf meine To Do-Liste gesetzt, in der Hoffnung, dass ich endlich Zeit dafür finde (z. B. Fenster putzen). Ziemlich düster sieht es allerdings bei vielen „schwierigeren“ Projekten aus, sei es, weil sie emotional belastend sind, oder weil sie anderweitig geistige oder seelische Anstrengungen erfordern. Dazu bin ich nämlich dank Promotion und neuem Job leider in letzter Zeit immer viel zu erschöpft, ganz davon abgesehen, dass mir häufig einfach die Zeit zum Nachdenken fehlt und ich so wenig Muße habe, herauszufinden, was ich für mich selbst eigentlich will.

Trotzdem gibt es natürlich auf diesem Gebiet auch kleinere Fortschritte:

Zum Beispiel möchte ich gerne jemand sein, der gerne und viel liest. Diese Art von Person war ich eigentlich schon immer, aber irgendwie ist mir in den letzten Jahren (und in den letzten Zügen meines Studiums) die Fähigkeit abhanden gekommen, einfach nur noch zum Spaß und endlos am Stück zu lesen. Jetzt wo ich meinen Abschluss in der Tasche habe, könnte ich wieder Bücher lesen, ohne eine Prüfung im Hinterkopf zu haben. Dummerweise lese ich aber für meinen Job schon sehr viel (in der Regel allerdings Fachliteratur), weshalb ich oft keine Lust mehr habe, abends auch noch ein Buch anzufassen. Stattdessen wird das durch Serien und viel – teilweise leider nicht besonders gute – Fan Fiction ersetzt, und wenn ich doch ein Buch vor mir habe, unterbreche ich mich oft selbst (obwohl mir das Lesen und das Buch eigentlich Spaß machen), weil ich denke, ich müsste etwas viel „Wichtigeres“ erledigen. Also habe ich vor kurzem – so bescheuert das auch klingen mag – angefangen, „Buch lesen“ auf meine tägliche To Do-Liste aufzunehmen. Im Gegensatz zu den anderen Aufgaben, die da drauf stehen, ist das allerdings kein Muss, sondern mehr eine Art Erinnerung an mich selbst, doch mal öfters Abends den PC früher aus zu machen und mich mit einem Roman ins Bett zu kuscheln. Das klappt bisher eigentlich ganz gut, und ich merke, wie ich mich wieder ein bischen mehr wie „ich selbst“ fühle.

Eine weitere, bei mir leider sehr ausgeprägte und dauerhafte Baustelle (think Flughafen Berlin-Brandenburg) ist mein Perfektionismus und mein ständiges Gefühl, „zu wenig zu arbeiten“. Was auch immer das heißt, wenn man eine halbe Stelle hat und diese 20h Arbeitszeit/Woche in der Regel immer problemlos füllen kann. Wahrscheinlich ist ein Teil dieses Gefühls meinem Arbeitsumfeld geschuldet (sehr flexible Arbeitszeiten mit wenig fester Präsenzzeit – also auch kein fester Feierabend -, schwer messbare Arbeitsmenge und -fortschritt, geistig anstrengende Aufgaben, die man nicht lange am Stück erledigen kann, …), ganz sicher bin ich aber auch zu einem guten Teil selbst schuld – beziehungsweise meine Einstellung zur Arbeit. Ich mache meine Arbeit nämlich sehr gerne, kann sie deshalb aber auch sehr schlecht liegenlassen und (so paradox das vielleicht klingt) auch mal meine „Freizeit“ genießen. Dienst nach Vorschrift ist also irgendwie nicht drin, Durcharbeiten allerdings sowohl physisch als auch psychisch auch nicht. Also muss ich irgendwie die Stimme in meinem Kopf abstellen, die mich gerne immer weiter anspornen möchte (siehe Leseproblem, das ich oben geschildert habe).
Meine Methode, die im Moment eigentlich ganz gut funktioniert, ist, mir meine Arbeitszeit auf ca 15 min genau aufzuschreiben (natürlich ohne Pausen) und mir dazu zu notieren, was ich eigentlich genau gemacht habe. So kann ich für mich selbst einen Fortschritt sehen (z.B. weil ich eine bestimmte Menge Aufsätze in einer Woche gelesen und exzerpiert habe) und es fällt mir leichter, mir auch mal frei zu nehmen, weil ich mein selbstgesetzes Tages- oder Wochensoll erfüllt habe. Bisher klappt das – mit einigen wenigen Ausnahmetagen – ganz gut, und ich merke, dass ich in dieser Hinsicht schon ein bischen lockerer geworden bin. Außerdem hat meine strenge Buchführung noch einen anderen Nebeneffekt, den ich so nicht erwartet hatte: Durch das Aufschreiben, wie lange ich an bestimmten Tätigkeiten sitze, habe ich gelernt, besser abzuschätzen, wie viel Zeit bestimmte Aufgaben in Anspruch nehmen. Dadurch kann ich wesentlich besser planen, wie viel Zeit ich für ähnliche Tätigkeiten einplanen muss und verfalle weit weniger häufig in Panik, weil ich zu viel auf einmal erledigen muss und nicht weiß, ob die vorhandene Zeit dafür ausreicht. Meistens tut sie das nämlich, man muss nur darauf vertrauen und seine Zeit nicht damit verplempern, wie ein Kaninchen vor der Schlange vor seiner To Do-Liste zu sitzen. ;) Natürlich verschätze ich mich mit dieser Methode auch gelegentlich, aber doch wesentlich seltener als früher.

Was habe ich also bisher aus meinem Experiment gelernt?

  • Ich schaffe es neben Job und Promotion, an ein oder zwei Baustellen gleichzeitig zu arbeiten (und ein paar Nebentätigkeiten zu erledigen), alles andere ist aber – momentan zumindest – nicht machbar. Das Gitarrespielen zum Beispiel habe ich mehrfach wieder ausprobiert, vorangekommen bin ich aber bisher nicht so richtig.
  • Für meinen Erfolg ist es wichtig, zu lernen, wie ich ticke. Ich stehe z. B. wie Gretchen Rubin („The Happiness Project“) unglaublich auf Listen und Gold Stars, also mache ich mir To Do-Listen zum Abhaken und Habit Tracker, an denen ich die Erfolgstage abzählen kann.
  • Mentales Gerümpel zu beseitigen braucht viel Energie – Energie, die ich nicht habe, wenn ich im Job stark eingespannt bin oder es mir anderweitig nicht gut geht. Darum braucht das Wegschaffen der mentalen Berge vor allem auch Geduld mit mir selbst: Alles auf einmal geht nicht, und manche Projekte brauchen viel, viel Zeit und viele kleine Schritte.

***

P.S.: Nein, das sind nicht alle meine Bücher. In dieser Hinsicht bin ich gar nicht minimalistisch. ;)

Dieser Artikel ist von Marie. Sie hat 2014 für die Minimalistenfreun.de geschrieben.

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