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The True Cost

Ich möchte gerade nichts mehr kaufen. Nie mehr. Und ich möchte auch nichts mehr einfach wegschmeißen. Wir stecken richtig tief in einem unglaublichen Dreckssystem und sobald man sich dessen bewusst wird, kann einem nur noch schlecht werden. Im Gang stehen drei Säcke voller Altkleider, die ich aussortiert habe und spenden wollte und obwohl „die Altkleiderlüge“ kein ganz unbekanntes Thema mehr ist, könnte ich kotzen angesichts der Fakten, die die Dokumentation „The true cost“ auflistet (Bezugsquellen unter dem Trailer in Youtube, ansonsten auch im Netflix-Abo enthalten.).

„Der Weg, Probleme in deinem Leben zu lösen, ist Konsum. Kauf dir Auto XY, Shampoo Z, und die Leute in deinem Umfeld werden dich (mehr) wertschätzen, gar lieben.“
( – die Werbung)

Ein paar genannte Zahlen und Fakten:

  • Der Konsum von Kleidung stieg in den letzten 20 Jahren um 400%.
  • Die Bekleidungsindustrie ist nach der Ölindustrie die zweitschlimmste Ursache für Umweltverschmutzung.
  • Der Durchschnittsamerikaner wirft 37 Kilo Klamotten im Jahr weg. Das meiste davon ist nicht recyclebar und rottet daher auf Deponien 200 oder mehr Jahre vor sich hin und setzt dabei auch giftige Gase frei.

„There are two kind of products. The one you use for a long time, and the one you use up. Consumptionism is all about getting the people to treat the things they used as the things they used up.”
( – Elmo Calkins, Werbetexter der 50er Jahre)

Die Frage, die der Film stellt: wer zahlt für diesen ganzen kranken Konsumirrsinn? Wir, völlig offensichtlich, nicht. Dann ein T-Shirt für 5 Euro kann nicht so hergestellt sein, dass irgendjemand innerhalb der Produktionskette davon leben kann.

In Kambodscha forderten die Arbeiter ein Mindestgehalt von 160 $ die Woche – bei den dazugehörigen Demos kam es zu gewalttätigen Ausschreitungen, die Polizei tötete sogar einen Mann. Die Regierung hält die Löhne weiterhin niedrig und die Giftstoffe für die Produktion erlaubt, außerdem muss der Arbeitgeber keine Sozialabgaben – Krankenkasse, Rente, Fortzahlungen während der Schwangerschaft etc. leisten – aus Angst, die Auftraggeber könnten sonst in andere Billiglohnlänger abwandern. Das ist so unglaublich menschenunwürdig, und gerade, wenn man den Kontrast der weinenden, verletzten Arbeiter sieht, an den nahtlos eine Primark-Eröffnung mit nicht minder lärmenden, aber aus völlig anderen Gründen am Rande des Wahnsinns stehenden Menschen geschnitten wird, wird einem schlecht.

Screenshot aus „the true cost“ – die Demo für den Mindestlohn von 160 $

In einigen Entwicklungsländern zerstört die Spende unserer Altkleider komplette Wirtschaftszweige und Arbeitsplätze – nein, wir tun meist nichts Gutes, wenn wir ausgemusterte Kleidung in die hier aufgestellten Container werfen. Seht euch diese Massen an, eine Folge unserer egoistischen Verschwendungssucht:

Screenshot aus „the true cost“ – 37 Kilo Kleidung entsorgt der Durchschnittsamerikaner im Jahr

Es gibt wirklich nur eine Lösung, und die heißt: weniger kaufen. Und wenn gekauft werden muss, ist Second Hand natürlich am besten – aber nur, weils teilweise günstiger ist (…bzw im Vergleich zu Discountern wie kik oder Primark auch nicht), sollte man es nicht weniger wertschätzen oder sich dazu verleiten lassen, wieder mehr Masse zu kaufen!

Wichtig beim Neukauf: auf Qualität achten. Hosen vom Textilschweden beispielsweise sind nach einem halbe Tag tragen in den Knien oft ausgebeult oder nach kürzester Zeit zwischen den Beinen durchgescheuert. Meiner Erfahrung nach ist es gut, hier auf Elastananteil zu achten. Auch für manche Shirts und Pullis gilt das Phänomen, dass sie nach einmaligem Tragen ihre Form verlieren und ausleiern, was sich nur durch Waschen wieder beheben lässt – auch nicht gerade nachhaltig, weder vom Waschen noch vom Tragen her, da das Material so natürlich stark strapazierter wird. Minderwertiger Sweatstoff pillt sehr schnell und wird unansehnlich, und irgendwann hilft auf der Fusselrasierer nicht mehr.

Bitte schaut diesen Film (der hebt übrigens nicht anklagend den Zeigefinger wie ich, er zeigt nur auf) nicht nur an, denkt euch dann zwei Tage lang „Oh Nein, wie furchtbar!“ und verdrängt das ganze dann wieder, wenn ihr nächstes Mal bei H&M steht. Es gibt Wege raus, auch wenn man tief in der Shopping-Maschinerie drin steckt – sehr empfehlenswert ist hier die Lektüre von „Ich kauf nix!“ von Nunu Knaller, die das Ganze erfolgreich gemeistert hat.
Ob ich das selbst jemals schaffen können würde (…ich kauf‘ trotz Minimalismus wirklich, wirklich gerne ein…), ist fraglich, aber auch ich werd’s versuchen. Wenn Neukauf, dann bevorzugt fair, und das ist oftmals so teuer, dass man es sich wirklich dreimal überlegen muss.

True cost – mal transparent

Denn dass es auch anders geht, zeigen einige Hersteller – die nicht nur auf Margen achten. Sehr interessant in dem Zusammenhang fand ich die transparente Auflistung der Kosten zur Herstellung einer Jeans von Hess Natur in der aktuellen Ausgabe des brand eins-Magazins:

brand eins Magazin, Ausgabe März 2016 „Sale sucks“

Die Themen Nachhaltigkeit und weniger kaufen und ergo auch wegwerfen werden bei uns in Zukunft mehr Beachtung finden. Geplant ist ein Beitrag zum Thema Müll reduzieren (nicht sexy, aber verdammt nochmal notwendig!) und eine ganz neue Kategorie zum Thema langlebige Produkte – von uns getestet und für gut befunden, die nach und nach von uns befüllt werden wird, sobald etwas in unserem Umfeld das Prädikat „Minimalistenfreun.de-geprüft“ erhält ;) Dabei werden wir nicht nur faire Produkte nennen – das wäre zwar schön, ist aber nicht immer realistisch – sondern tatsächlich haltbare.

Und wer immer noch nicht genug hat: hier könnt ihr die 20 größten Konsumsünden ansehen – und den Schock noch einmal ausweiten.

5 Kommentare

  1. Hallo Kati, danke für den aufrüttelnden Text! Da kann ich mich mit meiner Hessnatur-Jeans aber gut fühlen! Ich habe eine Weile auch secondhand gekauft, aber seitdem die Ladeninhaberin gewechselt hat, fühle ich mich da nicht mehr wohl. Bei mir war es mal auch schlimm mit dem Kleiderkonsum und ich hatte auch oft ein schlechtes Gewissen, aber jetzt wird es immer besser!

    Viele Grüße,
    Diana

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    • Hallo Diana,

      Second Hand im Laden hab ich tatsächlich noch nie gekauft – ich bin da eher ein Online-Schnäppchenjäger und gucke auf ebay oder Kleiderkreisel, offline vereinzelt auf dem Flohmarkt. Vielleicht sollte ich das mal nachholen :)
      Aber schön, dass es bei dir besser wird mit dem Neukäufen!

      Viele Grüße,
      Kati

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  2. Spontane Info: gerade habe ich mit Freude entdeckt, dass hessnatur auf ihrer Website auch die „capsule wardrobe“ eingeführt hat und definiert fast Wort für Wort das, was Susie Faux oder Courtney Carver oder Caroline Rector auch schon gemacht haben. Das finde ich ganz gut, was meinst Du, Kati?

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  3. Hallo Kati, gehe einfach auf die Internetseite von hessnatur. Klicke „Trends“ an, darunter dann die erste Zeile, „Blog“ (hessnatur-blog). Dann findest Du unter anderem auch „capsule wardrobe“ (interessant auch „was kostet ein T-Shirt?“). Der Text ist wahrscheinlich nicht originell, sondern mehr oder weniger zusammengefasst, was schon lange im Internet herumgeistert, passt aber prima zur hessnatur, finde ich.

    liebe Grüße,
    Diana

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