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5 Minimalismus-Lektionen von Mr. Tyler Durden

„WARNING If you are reading this then this warning is for you. Every word you read of this useless fine print is another second off your life. Don’t you have other things to do? Is your life so empty that you honestly can’t think of a better way to spend these moments? Or are you so impressed with authority that you give respect and credence to all who claim it? Do you read everything you’re supposed to read? Do you think everything you’re supposed to think? Buy what you’re told you should want? Get out of your apartment. Meet a member of the opposite sex. Stop the excessive shopping and masturbation. Quit your job. Start a fight. Prove you’re alive. If you don’t claim your humanity you will become a statistic. You have been warned…… Tyler“

Es ist kein großes Geheimnis, wir Minimalistenfreun.de sind große Fans von Mr. Tyler Durden. Sicherlich liegt das an Brad Pitt’s Abs dem düsteren Kultfilm Fight Club, einer Glorifizierung von Anarchismus und gesellschaftsfeindlich-subersiven Tendenzen.

Minimalismus ist sexy

*Ahem*

Für diejenigen, die diesen Film noch nicht kennen (schämt euch, sofort angucken!), hier eine kurze, spoilerfreie Zusammenfassung:
Ein 0815 Durchschnittstyp lebt ein ödes Durchschnittsleben und leidet unter Schlaflosigkeit, die er nur durch den Besuch von Selbsthilfegruppen lindern kann. Sein Dasein, reduziert auf einen 0815 Job und eine seelenlose Ikea-Wohnung, gerät gefährlich ins Wanken, als diese in die Luft fliegt.
Er trifft auf Tyler Durden, einen Hardcore-Nihilisten und anarchistischen Untergrundkämpfer, der ihn immer weiter aus seinem Durchschnittsleben heraus und immer tiefer den Kaninchenbau des Guerillia-Minimalismus führt. Ohne eines der genialsten Filmenden überhaupt vorweg zu nehmen, was können wir von Tyler, dem großen Kämpfer gegen den 0815-Alltag für den unsrigen lernen?

Lektion 1: Du bist nicht Dein Hab und Gut

Konsum wirkt identitätsstiftend, das haben wir alle spätestens während unserer Teenie-Jahre gelernt, als man nur mit dem richtigen Paar Sneakers und der korrekten Jeansmarke IN war. Später definiert man sich als Öko-Engel mit ArmedAngels Shirt, als Luxusbabe mit Louis-Täschchen oder als modernes Hippie-Mädchen mit Jutetasche und vintage Weste. Wir kultivieren unseren Stil, immer auf der Suche nach dem perfekten Stück, das unsere Persönlichkeit noch besser zum Ausdruck bringt. Darüber vergisst man leicht: Die eigene Persönlichkeit steckt nicht im Kleiderschrank. Wenn die Wohnung abfackelt (oder sie jemand mutwillig in die Luft jagt… *ahem*), dann bist Du immer noch Du. Klar schmerzt der Verlust des Lieblingspullis und liebgewonnene Erinnerungen hätten dann keinen physischen Anker mehr, aber was wichtig ist, ist im Kopf und nicht in den Schränken. Daher weniger in Materielles und mehr in Erlebnis investieren, denn das sind die wahren bleibenden Dinge im Leben. :)

Lektion 2: Wo gehobelt wird, fallen Spähne.

Der Lieblingspulli hat ein riesiges Loch im Arm, was tun? Wegwerfen oder doch im Schrank lagern und auf bessere Zeiten hoffen? Tyler hat keine Ehrfurcht vor den Dingen, und die solltest Du auch nicht haben. Aus dem löchrigem Pulli wird vielleicht der nächste Lieblingsschal. Die olle Kommode wird mit etwas Farbe ein neues Schmuckstück, aus der angeknacksten Kaffeetasse vielleicht ein Blumentopf. Für mehr Experementierfreude:  Was soll schon passieren, wenn mal was schief geht? Was vorher schon genervt hat, kann nur besser werden, wenn nicht, ist auch nichts verloren.

Lektion 3: Perfektionismus ist unerreichbar.

Mit der ersten eigenen Wohnung beginnt die ewige Jagd nach der Perfektion. Das perfekte Sofa, die perfekten Badaufbewahrungsmöglichkeiten, die perfekte Rührschüssel. Newsflash: Perfektion ist unerreichbar. Neue Dinge erfüllen uns auf kurz- oder mittelfristige Sicht, aber langfristig gesehen wird alles irgendwann veraltet, unmodern und irgendwann auch kaputt. Das Leben ist ständige Veränderung, und sobald sich unser Geschmack, oder die Lebensumstände oder das verfügbare Budget ändern, ist das ehemals Perfekte schon wieder Schnee von gestern. Dieser ermüdende Teufelskreis kann ganz leicht durchbrochen werden, in dem man einfach akzeptiert, dass auch mal 95% reichen. Dass die zusammengwürfelte Einrichtung charmant ist, und Katalogwelten langweilig und eintönig. Dass „gut genug“ langfristig zufriedener macht.

Lektion 4: Ausreden gelten nicht.

Ja ich weiß. Man könnte es so schön aufgeräumt und übersichtlich haben, wenn nur:
Genug Zeit da wäre
Man mehr Energie hätte
Man sich leichter trennen könnte
Der Partner mitziehen würde
etc…

Wäre-Hätte-Könnte-Würde! Alles Quatsch, denn Tyler hat recht: Für jeden von uns hat der Tag 24h. Wir alle sind nach der Arbeit müde, wir alle trennen uns mehr oder weniger gern von Dingen. Wer sich hier in Ausreden flüchtet, macht sich selber etwas vor, denn Ausmisten und Entrümpeln ist zu schaffen! Wie, das zeigen wir hier oder hier oder hier. Fortsetzungen folgen! ;)

Lektion 5: Zuviel Kram raubt Freiheit.

Der Hauptdarsteller des Film musste erst eine gesamte Wohnung verlieren, bevor er ein freieres Leben führen konnte. So weit wollen wir natürlich nicht gehen… aber weniger Dinge bedeuten gleichzeitig mehr Freiheit:
Die Freiheit, im Wohnzimmer spontan eine Dinnerparty für 15 zu geben, weil genug Platz für alle ist.
Die Freiheit, spontane auf Reisen zu gehen, ohne dass man Haussitter suchen muss.
Die Freiheit, den Kleiderschrank zu öffnen und nicht von kaputten oder zu engen Klamotten erschlagen zu werden.
Die Freiheit, einen besseren Job in einer neuen Stadt anzutreten, wenn der Umzug keine große Sache ist.
Die Freiheit, mit leichtem Gepäck zu reisen und statt mit Packen und Schleppen mit Erfahren und Erleben beschäftigt zu sein.
Weniger macht frei.

Dass man von Tyler noch viel mehr lernen kann, nämlich wie man z.b. Seifen siedet, zeigt euch morgen Kati. Zur Diskussion von Nihilismus allgemein, bösen gewaltverherrlichenden Filme im Speziellen oder auch gern Brad Pitt’s Sixpack sind alle herzlich in der Kommentarecke eingeladen ^.~

12 Kommentare

  1. Dankeschön :*
    Fight Club sollte man wirklich dringend mal gesehen haben, aber bitte vorher keine Zusammenfassungen lesen, denn es gibt einige echt gute Twists ;)
    Der Youtube Clip ist ja gruslig… irgendwie erinnert er mich an 1984 und an die Stimme von Lost in diesem Bunker?

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  2. Schöner Beitrag. Ja, und auf jeden Fall sollte man diesen Film gesehen haben. Einer der besten, die es für mich überhaupt gibt. Ich habe „Fight Club“ sogar schon selbst einmal für ein Schulessay hinsichtlich der Minimalismus-Aspekte untersucht, fällt mir gerade wieder ein. Wenn es damals auch nur eher am Rande ein popkulturelles Beispiel neben Into The Wild war (den könntet ihr in Zukunft auch noch behandeln). :D

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  3. Sehr inspirierender Beitrag, vielen Dank! Ich habe schon viel vom Roman und Film gehört, aber ihn noch nicht gelesen/gesehen. Definitiv nachzuholen, auf Grund des Beitrags!
    Ich könnte mir gar keine Lieblingslektion auswählen, alle sind auf ihre eigene Weise wichtig und richtig.

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  4. Nun habe ich drei Probleme…
    Soll ich noch den zweiten Teil zu „Den eigenen Stil finden“ lesen?
    Soll ich mich auf Katis Seifen freuen oder besser die Flucht ergreifen?
    Soll ich meine Fight-Club-DVD behalten oder wegwerfen? Aber eigentlich hat sie das schon für mich entschieden, denn sie besitzt mich längst.
    ;)

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  5. Into the Wild kannte ich noch gar nicht, guter Tipp, das werde ich mir mal ansehen:) Wenn es sich gerade anbieten, wollen wir immer mal was popkulturelles unterbringen, der nächste Beitrag dazu ist schon in Planung.^^
    Das Buch von Fight Club habe ich auch noch nicht gelesen, das soll ja noch eine Spur härter sein.
    Tami, solltest Du die Dvd wegwerfen wollen, wirf sie in meine Richtung ;) Ich nehm sie gern *ahem*

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    • Oh, Into the Wild ist richtig, richtig toll. Das ist zwar für mich kein Minimalismus mehr und der Film hat teilweise arg viel Pathos, aber definitv unglaublich sehenswert!

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  6. Ein wirklich toller und interessanter Beitrag! Den werde ich mir später noch einmal in Ruhe zu Gemüte führen – mir war gar nicht klar, wie viel in dem Film für mich drin steckt :)

    (Ich muss jetzt ja auch mal kommentieren und nicht nur lesen *hust)

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  7. Ah, ich LIEBE Fight Club. Danke für den tollen Post serane!
    Into the wild ist auch toll, wobei Minimalismus für mich nicht bedeutet eine Gesellschaft zu verlassen und alleine zu leben :D

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  8. Danke für diesen Beitrag!!! Einfach nur toll…
    Ich würd ihn mir am liebsten ausdrucken und an die Wand hängen!!!! Und nein, nicht wegen Brad Pitt!!! Sondern wegen den ganzen tollen Tatsachen/Wahrheiten die du (und die Filmzitate) so exakt auf den Punkt gebracht haben!! Ich bin beeindruckt…

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  9. @Wolfsfrau: Hihi ich glaube keiner nimmt Dir übel, wenn das nur wegen der Bilder wäre ;)

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  10. Fight Club war für mich eine Zufallsentdeckung. Ich hatte das Buch für meinen Freund gekauft, aber ich habe es dann gelesen. Danach glaubte ich, nie wieder ein Buch lesen zu können, weil alles nur Schrott sein kann nach diesem Meisterwerk…. naja ist viele Jahre her (lange bevor der Film rauskam). Ich lese wieder, aber dieses Buch ist meine „Bibel“, nicht nur weil Chuck Palahniuk es mir mal in Leipzig signiert hat :-)
    Ich empfehle es jedem! Lesen! Ich dachte auch man könne es nicht gut verfilmen – aber alle Achtung, der Film ist auch großartig.

    Anna

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