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Wie ich die Kaufsucht besiegte oder: Mein Weg zum Minimalismus

Ein herzliches Willkommen zum ersten Beitrag hier auf www.minimalistenfreun.de! Ich habe die große Ehre, diesen ersten Beitrag zu schreiben und leite damit unsere Vorstellungsrunde ein. In den nächsten Tagen und Beiträgen stellen wir Autorinnen uns ausführlich vor. Wir erzählen von unserem Zugang zum Minimalismus, wie wir ihn für uns definieren, unseren ersten (minimalen) Schritten und unserer Motivation, am Ball zu bleiben und darüber auch noch für einen Blog zu schreiben :)

Also, es geht los!

Vor etwa 4 Jahren bestellte ich zum dritten Mal in einer Woche in einem der berühmt-berüchtigten China-Shops auf ebay, wo man alles so unfassbar günstig kaufen konnte, wenn man gewillt war, etwa 30 Tage auf seine Ware zu warten (da sie direkt im Container aus Übersee hergeschifft wurde) und auch mal in Kauf nehmen konnte, dass die bestellten Dinge komplett anders aussahen als die auf den Produktfotos. Oft hatte ich nach der langen Wartezeit schon gar keine Lust mehr auf die Sachen und oft passten mir die Kleidungsstücke sowieso nicht – auch wenn die Größenangaben aus dem Internet stimmten. Trotzdem hatte ich so meine Phasen, wo ich jede Woche mindestens eine Sache in den Shops kaufte, weil sie ja so günstig war und ich sie ja doch irgendwie brauchte. Brauchen wollte. Und doch fühlte ich mich irgendwie… beschwert. Belastet. Überfüllt.

Klar, der Handyhalter im Manga-Design war plüschig und süß – aber mein Smartphone kippte darin immer um und es war ein Krampf, es aus dem Halter herauszubekommen, da es immer feststeckte. Ich war deprimiert durch die vielen Kleidungsstücke, die mir nicht passten – ich war sauer auf meine Körperform, die groß und fraulich ist, und ich war sauer auf die kleinen, dünnen Asiatinnen, die so super in den Sachen aussahen, die ich mir da zuhauf bestellt hatte. Ich war auch sauer, dass ich nur etwa 20% meines Kleiderschrankes anziehen konnte. Und ich war auch sauer, dass so viele Sachen in meiner kleinen, aber feinen Wohnung gar keine Funktion und schon gar keinen Wert für mich hatten.

In der Zeit fing ich  an, viel im Internet zu lesen, zum Beispiel Blogs. Ich lernte etwas über To Do-Listen, Persönlichkeitsentwicklung, erfolgreiches Schreiben von Abschlussarbeiten und… Minimalismus. Das Wort erinnerte mich fern an einen Musikstil und Kunstformen: ästhetische Bilder von kargen Räumen erschienen vor meinem inneren Auge. Der Minimalismus, von dem ich bald las, hatte aber nichts mit der Kunstform zu tun und auch nicht mit der Musik, die mir sowieso nicht gefiel: Es ging um das Beseitigen von Dingen, die man nicht braucht, um das Schaffen von Freiraum, ums Atmen. Mir gefiel das alles irgendwie und ich wurde neugierig. Ich war begeistert von der Idee, Dinge loszulassen, die mich belasteten.

Beim Lesen blieb es nicht und ich begann, Sachen auszusortieren. Es fing bei mir mit CDs an. Die CDs hatte ich sowieso schon als Audiotracks auf meinem PC – und an den richtigen Tonträgern lag mir nicht viel, da ich mich eh nie bemühte, sie in meiner Anlage anzuhören, sondern ich nutzte die mp3s auf meiner Festplatte. Später sortierte ich Bücher aus und behielt nur die, die ich nochmal lesen würde. Da gingen sowohl Sachbücher weg, die ich nicht wirklich lehrreich gefunden hatte, als auch Romane, die einfach nur öde waren. Die Sachen verkaufte ich auf ebay, wo ich ja als Käuferin schon fleißig Bewertungen gesammelt hatte. Irgendwann hörte ich auch von Kleiderkreisel und meldete mich dort an.

Nach kurzer Zeit war ich Profi im Verschicken von Bücher- und Warensendungen und bestellte 100 Versandtaschen in der passenden Größe, weil ich so viel verkaufte. Ich ging täglich zum Briefkasten und warf Sendungen ein und verpackte wie ein Weltmeister. Außerdem konnte ich einige Regale über die lokalen Stellenanzeigen in einer Studentenzeitschrift verkaufen, denn die Regale waren schlicht und einfach leer geworden. Ich wurde Geschirr los, das ich eh nie benutzte und machte damit eine Erstsemester-Studentin glücklich, die aus dem Ausland gerade nach Dresden gekommen war.

Und das tollste war: Mir fehlte nichts! Ich hatte mehr Platz und konnte mich auf die Dinge konzentrieren, die ich wirklich mochte. Der Minimalismus-Ansatz hatte mir geholfen, meine langsam ausufernde Kaufsucht zu dämpfen. Ich hatte versucht, den leeren , langweiligen Raum mit der Beschäftigung „einkaufen“ zu füllen.

Minimalismus hilft mir auch heute, von Zeit zu Zeit aufzublicken und mich umzuschauen und die Perspektive zu verändern. Dann merke ich nämlich, dass ich ganz viel schon habe und gar nicht so viel Neues brauche. Und es befreit auch ungemein, sich von Dingen zu trennen, die man nicht mehr braucht. „Geheilt“ von meiner Kaufsucht bin ich nicht, aber ich würde es nun auch nicht mehr so drastisch formulieren: Ich verliere mich ab und zu im Kaufen, doch der minimalistische Gedankenansatz („Ich brauche gar nicht so viel!“) hilft mir immer wieder, mich wiederzufinden und mich zu maßregeln :)

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Mein Name ist Dori und ich bin mitten in meinen goldenen Zwanzigern ;) Meine Zeit vertreibe ich mir – nach 5 Jahren Studium in Dresden und Merseburg – mit arbeiten und leben in Frankfurt am Main. Ich schreibe und lese sehr, sehr gern und bin seit etwa 3 Jahren dabei, einen minimalistischen Lebensstil zu kultivieren. Was das ganz genau heißt, möchte ich euch in meinen Posts hier auf www.minimalistenfreun.de gern näher erläutern. Ich beschäftige mich sehr gern mit Design und Sprache, lese gern Blogs zum Thema Architektur und Innendesign/Interieur, außerdem koche ich leidenschaftlich gern – backen ist auch okay ;) Ich liebe es, zu improvisieren und leckere Sachen zu kochen. Am liebsten habe ich dann auch Besuch und bin gern die Gastgeberin einer kunterbunten Runde von lieben Menschen. Eins meiner viel zu wenig ausgeübten Hobbies ist das Nähen – denn Kleidung und Mode ist für mich ein sehr wichtiges Thema, um sich selbst auszudrücken. Ich setze mich gern damit auseinander, meinen Stil zu definieren und ihn mit Kleidung zu verstärken. Dabei möchte ich Wert darauf legen, dass die Sachen, die ich trage, fair produziert wurden und eine hervorragende Qualität haben. In meinen Blog-Posts wird es unter anderem auch um meine Challenge für 2014 gehen, nur Kleidung, Schuhe und Accessoires aus Second Hand und/oder fairer Produktion zu kaufen! :)

11 Kommentare

  1. Was für ein toller erster Beitrag Dori, chapeau & cheers! Ich freue mich schon auf die ersten Berichte zu Deiner Challenge :)

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  2. Toller erster Start hier!
    Und genau auf den Punkt gebracht wie es uns vom Fred wohl am Anfang allen ging.
    Freue mich schon auf mehr, damit es bei uns weniger wird :*

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  3. Ein schöner Auftakt zu eurem Blog :), ich habe ihn schon den Favouriten hinzugefügt! Weiter so :))

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  4. Auch von mir ein „Toller erster Blogeintrag“!!
    Liest sich wunderbar leicht und bringts auf den Punkt!! Super…
    Ich freu mich schon auf die nächsten Beiträge…Ach und in meiner Favoritenleiste seit ihr auch gespeichert ;o)

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  5. „Ich hatte versucht, den leeren , langweiligen Raum mit der Beschäftigung “einkaufen” zu füllen.“

    Mein Lieblingszitat aus deinem Beitrag.Der Satz könnte glatt von mir stammen und beinhaltet viel Wahres.

    Macht weiter so :)

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  6. Ich stell mal alles zusammen und bring die Kisten vorbei. Dann kannst Du für mich den Minimalismus organisieren, schön nu

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  7. sehr toller Text ;)

    Das Internet verleitet mich leider auch auf zu überflüssigen Käufen… Es gibt die Sachen einfach so billig und in so einer Vielfalt, und vor allem geht alles so schnell einfach, dass schnell mal mehr Teile im Einkaufskorb landen, als ich eigentlich wollte. Mittlerweile habe ich mich aber auch wieder besser im Griff

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  8. Dass die Dinge ganz anders aussehen wie auf dem Verkaufsbild, kann dir aber hier genauso gut passieren ;)
    Ich finde deinen Beitrag jedenfalls sehr inspirierend. Mich interessiert vor allem wie du dich in schwierigen Momenten motivierst deinen Weg weiter zu gehen?

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